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vor 150 Jahren kam das erste Schiff im "Tarifhafen" an: Im Mai 1873 einigten sich die Arbeitenden und eine große und bald auch wachsende Zahl von Verlagen, einen einheitlichen Tarifvertrag für die Buchdruckereien zu unterschreiben. Dies gilt als Premiere für den Flächentarifvertrag in Deutschland.
Beide Seiten gewannen: Die Beschäftigten erreichten endlich ein einigermaßen auskömmliches Einkommen, das sich auch nicht mehr "von Nase zu Nase" willkürlich unterschied. Und die Druck-Unternehmen hatten so die Gewähr, dass ihre Löhne nicht mehr von anderen Unternehmen der gleichen Branche unterboten wurden - und es kehrte "Betriebsfrieden" ein. Somit war der erste Tarif ein Anker und ein Modell auch für andere Branchen, die folgten: Arbeitsbedingungen brauchen einen Mindeststandard, der nicht in Frage steht.
Der kollektive Anker bewahrt das Unternehmens- oder Branchen-Schiff nicht nur vor dem Abdriften und verhindert, dass es leckschlägt an den Klippen von zum Leben nicht reichender Bezahlung oder dass es aufläuft auf die Untiefen persönlicher Bevorzugung oder Benachteiligung. Tarifverträge setzten sich verbreitet durch: Auch der DBV konnte 1920 den ersten landesweiten Tarifvertrag für die Angestellten im Bankgewerbe durchsetzen - freilich nicht ohne das Mittel flächenhafter Streiks, bis die Arbeitgeber auch in der Finanzbranche das Pro höher werteten als das Contra. Bis heute schmieden wir weiter an einem zeitgemäßen Tarif-Anker, der die Konditionen der Arbeit schützt auch in Zeiten von weiterer Spezialisierung und KI, mobiler und agiler Arbeit, und nach wie vor bestehender Tendenz der Verlagerung von Arbeit heraus aus dem Tarifvertrag. Letzterem muss wo immer möglich in sinnvoller Weise Einhalt geboten werden.
Wie bei einem echten Schiff lässt sich der Anker selbstredend lichten, damit das Unternehmensschiff Segel setzen und mit Handelsgütern übers Meer fahren kann - sonst hätte es keinen Nutzen, weder für die Firma noch für die Frauen und Männer, die hier ihr "Brot" verdienen wollen. Die eiserne Absicherung bleibt dennoch wichtig - nicht nur um manchen Stürmen zu trotzen, sondern auch damit neue, seetüchtige Fachkräfte aufs Schiff kommen können bzw. wollen, um auch die nächsten Etappen gut zu schaffen.
Während der Feierstunde "150 Jahre Tarifvertrag" befürworteten beide Seiten, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, grundsätzlich die Fortgeltung der Flächentarifverträge. Aber sie sind verschiedener Meinung, was getan werden muss, damit die Tarife langfristig wirksam bleiben bzw. wieder werden.
Nahm die Bedeutung von Tarifvereinbarungen bis etwa Anfang der 1980er Jahre zu, ist seither ein Rückgang der Tarifbindung festzustellen. Im Jahr 2021 waren in den alten Bundesländern lediglich etwa 45 % aller Beschäftigten in einen direkt tarifgebundenen Unternehmen tätig, in den neuen Bundesländern traf dies nur noch auf rund 34 % der Mitarbeitenden zu. Noch deutlicher: Nur noch etwa ein Viertel aller deutschen Firmen sind an Tarifverträge gebunden, drei Viertel hingegen nicht. Das heißt: Besonders die kleineren, mitarbeiterschwächeren Unternehmen bezahlen nicht (mehr) nach Tarif bzw. erkennen keine Tarifrechte (mehr) an - und zusätzlich fallen Arbeitsgesetze und betriebsrätliche Vereinbarungen bei den Kleinen und Kleinsten weniger kräftig aus oder sind gar nicht vorhanden.
Deshalb bleibt der DBV nicht nur die Unterstützung für die Beschäftigten in den großen Instituten - sondern in jedem Einzelfall auch ein verlässlicher Anker für die Kolleginnen und Kollegen in Genobanken "auf dem Land" oder in ausgegliederten Service-Einheiten, wenn es sonst kaum eine Sicherung oder Hilfe gibt: https://www.dbv-gewerkschaft.de/150-jahre-tarifvertraege-gewaehr-fuer-ein-verlaessliches-auskommen/

Diese und alle unsere Nachrichten lesen Sie wie immer hier gesammelt im "Aktuell": https://www.dbv-gewerkschaft.de/themen/aktuelles/

Die drei Säulen des deutschen Bankensystems sind wohlbekannt: Privatbanken, Genossenschaftsbanken sowie Öffentliche Banken. Ob sie alle in bisheriger Form und Aufteilung eine Zukunft haben, wird bereits länger diskutiert. Die nun etablierten EU-Regeln für die Abwicklung von Krisen-Banken steigern nun einige Zweifel: Der BVR der Genobanken sieht das bisherige, sehr deutsche Modell der gegenseitigen Institutssicherung mittels Verbänden arg gefährdet. Die von der Europäischen Union beschlossenen Abwicklungsregeln würden stattdessen eine Konzentration auf Großbanken befördern, die dann wiederum "too big to fail" wären: https://www.dbv-gewerkschaft.de/genobanken-warnen-vor-dem-ende-des-deutschen-3-saeulen-bankensystems/

Bislang waren es oft "nur" die Fachkräfte, die von den Unternehmen der Finanzwirtschaft dringend gesucht und dennoch oft nicht gefunden wurden. Nun aber, vermeldet stellvertretend die deutsche Tochter der BNP Paribas, sind auch kaum noch geeignete Bewerberinnen und Bewerber auch für verbreitete Jobs in kundenfernen Bereiche zu finden, wie etwa für die Personalabteilung. Man müsse als Unternehmen immer mehr bieten, um offene Stellen noch besetzen zu können. Anders gesagt: (Fast) Alle Hände werden gebraucht: https://www.dbv-gewerkschaft.de/nicht-mehr-nur-talente-sondern-jede-helfende-hand-wird-gesucht/

Viele von uns arbeiten mobil bzw. im "Homeoffice". Aber daheim wird es irgendwann mal langweilig, kommunikativ ist es auch nicht gerade. Deshalb können manche auf die Idee kommen, den mit der Firma vereinbarten heimischen Arbeitsplatz zumindest zeitweilig ins Café oder gar ins warme Ausland zu verlagern. Doch sollte man (und frau) dies nicht heimlich tun, sondern nur in Abstimmung mit Vorgesetzten - sonst drohen erhebliche Konsequenzen: https://www.dbv-gewerkschaft.de/arbeitsrecht-muss-ich-homeoffice-immer-in-der-eigenen-wohnung-machen/

Aufgemerkt
: In unserem Vorteilsportal finden DBV-Mitglieder wieder eine aktuelle Auswahl guter und günstiger Angebote: https://dbv.mitgliedervorteile.com/
Wer noch nicht registriert ist, kann das auf dem hier beschriebenen Weg tun: https://www.dbv-gewerkschaft.info/wp-content/uploads/Zugangsweg_DBV-Vorteilsportal_2020.pdf

Ihr Oliver Popp
DBV-Newsletter